BefluegelterAal:Die Gaststätte "Northoff-Speer" - Denkmalswerte Substanz im Zentrum der Wersestadt
von Christian Wolff
Noch ist ungewiss, was mit der historischen Hausstätte an der Nordseite der Weststraße geschieht. Am 17. Dezember 2000 endete vorerst die alte Tradition zu Betreibung einer Gaststätte an dieser Stelle. Grund genug, in der bewegten Geschichte des Hauses, zuletzt als Gaststätte "Northoff-Speer" bekannt, zu blättern.
Das Gast- und Wohnhaus is zweigeschossig und muss um 1850 neu errichtet worden sein, denn im Urkataster von 1829 ist an dieser Stelle noch ein Giebelbau aus Fachwerk vermerkt. Bei den Untersuchungen der Baugeschichte stellte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe vor einigen Jahren fest, dass die Fensterbänke der Vorderfront ursprünglich aus Sandstein waren und eine feine geschweifte Form aufwiesen. Als um 1930 die Fassade neu verputzt wurde, verschwanden diese jedoch. Auf der Rückseite des Haupthauses sind sie allerdings noch immer in der alten Form vorhanden.
Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dort einen gastronomischen Betrieb. Die Aufteilung des Grundstücks Weststraße 82 hat sich bis heute nicht maßgeblich geändert. Auf der rechten Seite, wo jetzt der dazugehörige Parkplatz ist, soll es ursprünglich ebenfalls einen Bebauung gegeben haben. Durch die Erwerbung dieses Nachbargrundstücks Anfang des letzten Jahrhunderts war es dem Gaststätten-Inhaber möglich geworden, eine erhebliche Erweiterung vorzunehmen.
Um 1900 wurde hinter dem Hauptgebäude ein erster kleiner Saal aus Fachwerk errichtet. Zu dieser Zeit war die Gaststätte im Besitz des Wirtes Heinrich Borgmann. Bereits 1913 folgte schon der Neubau. Ein noch größerer, reich verzierter Saal für über 300 Personen, eine Küche, ein separater Vorratskeller, ein Gesellschaftszimmer, Garderoben und großzügiege Pferdeställe uwrden direkt an das Gebäude angegliedert. Architekt Schröder aus Ahlen wurde mit diesem Bauprojekt dem enormen Bevölkerungsanstieg gerecht. Infolge der wachsenden Industrie in der Wersestadt kam es zum merklichen Aufblühen des gesellschaftlichen Lebens.
Johann Northoff, der dieser Gaststätte den bekannten Namen gab, pachtete das Gebäude im Jahr 1918. Zu Silvester fand die feierliche Eröffnung statt. Eigentümer des Hauses blieb Paul Hinteler, der um 1912 den Bau gekauft hatte und dessen Nachfahren den Komplex erst 1999 verkauften.
Das Raumangebot war schon damals vielseitig: Im "Altbau" an der Straße befand sich nicht nur der Schankraum. Es gab ein unterteilbares nebenzimmer auf der rechten Seite und eine "Aufkammer" im hinteren Teil, deren Eingang sich links neben der Tür befand. Der älteste Gebäudeteil war nie voll unterkellert. Vielmehr wurde der bestehende Keller durch den Keller unter Kücher und Vorsaal ergänzt.
Bis 1956 führte die Familie Johann Northoff den Betrieb. Im Jahr 1956 übernahm Mathias Bonenkamp zusammen mit seiner Frau Hedwig, eine geborene Northoff, die Gaststätte "mit Bestem aus der Küche udn keller". Noch zu ihrer Zeit stellten sonntags die Kirchgänger von außerhalb ihre Pferde in dem Stallgebäude ab und trafen sich im Anschluss zum Frühschoppen bei Northoffs Theke. Aus gesundheitlichen Gründen musste das Ehepaar 1970 aufgeben. Dass sie mit den gelernten Gastronomen Dieter und marianne Speer beständige und eifrige Nachfolger gefunden hatten, stellte sich erst in den folgenden Jahrzehnten heraus.
An einem Freitag - es war der 4. September 1970 - erfolgte ab 18 Uhr die feierliche Wiedereröffnung der Traditionsgaststätte. Dieter Speer ließ verlauten: "Wir wissen, wie außerordentlich gut das Verhältnis der Gäste zum Hause Northoff war. Wir werden uns bemühen, unsere Gäste zufriedenzustellen." Bereits ein Jahr später wurde "Northoff-Speer", wie der Treffpunkt nun genannt wurde, zum Vereinslokal von "DJK Vorwärts Ahlen". In einem der drei Gesellschaftszimmer hielten sie ihre Versammlungen ab - genauso wie die Schützen vom "Gemütlichen Westen".
Nicht zu vergessen ist die Tanzschule Plate, die jahrzehntelang ihre Übungsstunden und Abschlussbälle im hinteren Teil der Gaststätte veranstaltete. Tanzlehrerin war Anneliese Plate.
Während der 3-jährigen Pächterschaft von "Dietz", wie Dieter Speer nicht nur unter Stammgästen genannt wurde, erlebte das Haus zahlreiche rauschende Feste. Besonders die Karneval- und Silvester-Veranstaltungen mit schmackhaften Buffets waren sehr beliebt. Genauso wie die "Oldie-Nights", die der frühere Band-Gitarrist Speer immer wieder ausrichtete. Als Mitte der 80er-jahre "Billard"-Spielen zum Trend wurde, war die Gaststätte "Northoff-Speer" Vorreiter in Ahlen: Im Festsaal wurde ein großes "Billard-Cafe" mit separater Theke etabliert. Als ide Billardbegeisterung einige Jahre später nachließ, reagierte das engagierte Wirtepaar und ließ Dart-Automaten aufstellen.
"Dietz" Speer, Wirt mit Leib und Seele, blieb seinem Beruf treu. Als das Gebäude verkauft und sein Pachtvertrag ausgelaufen war, dauerte es nur wenige Tage, und er stand wieder am Zapfhahn. In der Gaststätte "Walstedder Stübchen" führt er seit 2001 im "kleinen Rahmen" weiter, was er in jahrzehntelanger Berufserfahrung - hauptsächlich im Hause Northoff - aufgebaut hatte.
Der gesamte, bislang unveränderte Gebäudekomplex an der Weststraße 82 bildete über 100 Jahre einen zentralen, wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt in Ahlen. "Northoff-Speer" zählt mir Recht zur denkmalwerten Substanz, da es nicht nur das gesellschaftliche Leben der Stadtbevölkerung, sondern auch die enorme wirtschaftliche Entwicklung Ahlens dokumentiert. Bleibt zu hoffen, dass an dieser zentralen stelle recht bald wieder Leben einkehrt.
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