Friedenseiche

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Als Friedenseiche wird ein 1871 an der Weststraße gepflanzter Baum Baum bezeichnet. Der Anlass zur Pflanzung war der Friedensschluss nach dem Sieg des deutschen Kaiserreiches über Frankreich, der den Deutsch-Französischen Krieg beendete.

Der Baum mußte krankheitsbedingt gefällt werden. Statt ihn jedoch einfach zu Brennholz zu verarbeiten wurde durch den Künstler Ulrich Möckel eine 5 Meter hohe Bronzeplastik für den Europaplatz geschaffen.

Die Kunsthistorikerin Dr. Andrea Brockmann beschrieb die aus zwei Teilen bestehende Säule aus Bronze, die im unteren Teil den ursprünglichen Eichenstamm in seinen Umrissen und in seiner organischen Struktur aufnimmt und im oberen Teil die zwölf fünfzackigen Sterne der Europaflagge, als Zeichen für den Frieden. Das Gold im Inneren der nach oben offenen Säule sei keine Anspielung auf die Siegesgöttin Viktoria, sondern als Aufforderung zu verstehen, Ideale wie Freiheit, Vertrauen und allgemeine Werte weiter zu entwickeln. Während der Sockel in seiner künstlichen und gewachsenen Schwarzpatina die Grundfeste des Lebens, Tradition und Geschichte, versinnbildliche, stehe der offene Kegel für das Unvorhersehbare, das Neue und die Verheißung der Zukunft.

Ausführliche Beschreibung der Bronzeplastik von Dr. Andrea Brockmann

Siegessäulen mit einer goldglänzenden Viktoria in luftiger Höhe und engelbekrönte Friedenssäulen, vornehmlich im 19. Jahrhundert aufgestellt, erinnern an siegreiche Waffengänge und militärische Erfolge. Heute mahnen sie zum Frieden, sind aber mithin auch ein Symbol von Macht und Machtstreben, denn jeder Sieg bedeutet auch Niederlage, bedeutet Demütigung eines anderen. Ein solches „Siegeszeichen“, das zugleich an den deutsch-französischen Friedensschluss von 1871 erinnert, wurde im 19. Jahrhundert auch hier in Ahlen gesetzt, in Form einer Eiche. Sie ist Ausgangspunkt, Materiallieferant, Kern der „Säule für Europa“ von Ulrich Möckel, die zwar phänotypisch Merkmale jener Siegerzeichen aufgreift, wie das Standfeste, das Aufstrebende, das golden Strahlende und Bekrönte, doch die nicht Sieg oder Ruhm assoziiert, sondern sie macht gemeinschaftliches Denken und Handeln, den Dialog und die Utopie als Vorfeld des zukünftig Möglichen und damit „Zeit“ zum Thema.

Das Werk besteht aus einem 2,50m langen Stammstück der Eiche, dessen unterer Durchmesser ca. 1m beträgt und dessen oberer Durchmesser sich etwa auf 80 cm verjüngt, einem organisch wirkenden Kegelstumpf vergleichbar. Dieses Stammstück wurde zweimal in Bronze abgegossen. Der eine Teil als geschlossene Form, der andere als dünnwandige, etwa 1cm dicke offene Form. Beide Teile, die unterschiedlich patiniert wurden und deshalb farblich verschieden, sind so aufeinander gesetzt, dass sie gemeinsam eine taillierte, 5m hohe Säule bilden, die das Ergebnis einer Austauschbeziehung zwischen der Struktur des gewachsenen Holzes, der dem Baum eingezeichneten Konzeption, den Spuren der Zeit wie das Abkappen kranker Äste und den Eingriffen des Künstlers ist. Die organische Kompaktheit des Baumtorsos ist erhalten geblieben, an manchen Stellen ist deutlich die Charakteristik des Splintholzes zu erkennen, daneben durchfurchen Kerben und Schnitte, absichtlich vom Künstler gesetzten Beitelspuren, den Baumkörper, in den Ulrich Möckel sternartige Formen eingearbeitet hat. Ein Eingriff, der nicht unbedingt seiner von der Natur ab- und hergeleiteten Formensprache entspricht. Doch die Sterne sind ein Verweis und eine Reminiszenz an den europäischen Gedanken, an die 12 goldenen fünfzackigen Sterne auf der Europaflagge, die 1956 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und die 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen wurde. Neben der inhaltlichen Komponente und materiellen Verkörperung des Europagedankens übernehmen sie auch eine sinnbildliche Funktion. Im oberen Teil brechen die stark abstrahierten, unregelmäßig zackigen Sternformen, die im unteren Bereich als Negativreliefs erscheinen, das Hermetische, das Geschlossene, das Erdenschwere, das den unteren Teil kennzeichnet, auf und öffnen den Blick auf das glänzende, im Sonnenlicht gleißende Gold, das der Künstler Blatt für Blatt im Inneren der Säule aufgetragen hat. Damit ist aber keine Anspielung auf die strahlende Siegesgöttin Viktoria im goldenen Kleid gemeint, sondern dieses Gold verkörpert Ideale, Tendenzen zur Weiterentwicklung, Freiheit, Vertrauen, allgemein Werte, die es gilt zu achten und danach zu streben, die uns öffnen, die uns tolerant machen, die uns visionär denken lassen.

Zur Dialektik von Innen und Außen kommt das Farbenspiel der Patina, die Ulrich Möckel bewusst als gestalterisches Mittel einsetzt. Der heute übliche, weit gefasste Patinabegriff versucht Ausstrahlungen von Werkstoffoberflächen, aber auch Anmutungen von Menschen, Moden, Stilen einzufangen, die sich spontan einer objektiven Definition entziehen. Assoziationen für Neu sind Bilder und Objekte von Glanz, eindeutiger Farbigkeit, Glattheit und Unversehrtheit der Oberfläche, während ästhetischer Gradmesser für Alter die Patina ist. Sie lässt Farben verblassen oder nachdunkeln, verwandelt Glanz in Mattigkeit und verändert glatte, intakte Oberflächen durch plastische Verformungen, Abtragungen, Krater und Krusten. Sie ist das Zeugnis für Veränderung im Zeitablauf. Das zweigeteilte, patinierte Farbenspiel der „Säule für Europa“ unterstützt jenes zeitliche Denken. Der Sockel in seiner künstlichen und gewachsten Schwarzpatina versinnbildlicht nachvollziehbares und glaubwürdiges Alter, Grundfeste des Lebens, der Tradition, der gemeinsamen Geschichte. Die Vergangenheit ist aber kein schier Abgeschlossenes, sondern nur scheinbar abgegoltene Zeit. Denn in ihr selbst lagern noch utopische Reste wie explodierbare Atome oder Sternenkörper, die nach vorne, nach oben aufbrechen können statt sich für immer zur Ruhe zu setzen.

Über dem dunkel patinierten Stammstück erhebt sich als offene Form der zweite Baumkegelstumpf außen im schimmernden Grün, der das Unvorhersehbare, das Neue, das Goldene, die Verheißung der Zukunft in sich trägt. Der Künstler inszeniert an dieser Stelle jedoch keinen Zustand von Harmonie und unbedingter Versöhnung. Es ist kein glatter, kein ebener Übergang vom Gestern ins Morgen, es ist eine bewusst sichtbare, überstehende Kante, die die durchs Jetzt bedingte Unsicherheit spiegelt. Damit visualisiert Ulrich Möckel ein Spannungsfeld, so wie es sich im Ineinanderwirken unterschiedlicher Lebens- und Funktionsbereiche zwischen Natur und Zivilisation, Technik und Kultur, Politik und Gesellschaft gestaltet, und das ständig neue Disharmonien hervorruft. Dahinter steht die Einsicht, dass wir nicht gegeneinander die Zukunft aushandeln, sondern nur im Dialog eine gemeinsame Handlungslinie finden können. Dies gilt es aufzunehmen und auf eine Balance auszurichten, ein Prozess, der niemals abzuschließen und im Hinblick auf die Gegenwart immer wieder neu, auch kritisch zu reflektieren ist.

Man kann Ulrich Möckel, der in Beckum-Unterberg lebt und arbeitet, als anerkannten und im Kollegenkreis sehr geschätzten Künstler bezeichnen, dessen Arbeiten in Ausstellungen und im öffentlichen Raum unserer Region, also hier in Ahlen, auch in Drensteinfurt, in Neubeckum, ab dem Sommer auch in Warendorf, wo er kürzlich mit dem Entwurf eines „Urbanen Baumzeichens“ den Wettbewerb um die Gestaltung des Bahnhofplatzes gewonnen hat, präsent ist; doch sein Wirken und seine Anerkennung geht weit über die Region hinaus: Ausdruck seiner künstlerischen Qualität. So sind zurzeit Arbeiten von ihm in der international besetzen Ausstellung „Aus dem Stamm“ im renommierten Kunstverein Wilhelmshöhe in Ettlingen neben Werken von Tony Cragg, David Nash und Victoria Bell zu sehen; erwähnen möchte ich auch seine Ausstellungsbeteiligungen im vergangenen Jahr im Kunstverein KISS im Schloß Untergröningen, im Galeriehaus Nürnberg oder seine Einzelausstellungen in den Flottmann-Hallen Herne und im Kunstverein Kehdingen in Freiburg an der Elbe.

Ulrich Möckel geht in seiner Kunst den konsequenten Weg, den Baum vom Holz zu lösen, die natürliche Materialität zu transformieren. Was bleibt ist die Form. Wie im Fall der so genannten „Friedenseiche“. Mit seinem unheimlich sensiblen Gespür für das Wesen und die Individualität eines Baumes und seiner Idee, das abgelebte Holz der natürlichen Vergänglichkeit durch den Bronzeguss zu entziehen, ist es gelungen, ihn, den Baum, die Ahlener Friedenseiche, als Dokument der Zeit in Form eines Monuments und in einem sinnhaften Gesamtzusammenhang zu bewahren und so die Trias kollektives Gedächtnis, Schnittstelle der Gegenwart und Aufbruch in die Zukunft in einem Werk zu symbolisieren.

Möge dieses Monument hier in Ahlen auf dem Europaplatz die Strahlkraft entfalten kann, die in ihm steckt!