Geschichte und Gegenwart des Emails

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1. Jahrtausendalte Tradition

In der »Pöttkes«-Stadt Ahlen wird Email mit Haushaltsgeräten gleichgesetzt und dabei vergessen, daß die Email-Kunst eine jahrtausendalte Tradition hat. Davon zeugen noch heute die Email—Einlagen in den Wänden des Palastes der Pharaos Ramses II. Die Farben Türkis, Kobaldblau, Smaragdgrün und Purpur leuchten dort in ursprünglicher Schönheit. Trotz dieses und früherer Funde steht nicht fest, ob die Email-Kunst in Agypten, China oder Indien entwickelt wurde. Ebenfalls wurde im römischen Reich, dann in Byzanz und vom 11. bis 18. Jahrhundert auch in Mitteleuropa Schmuck der Könige, Kaiser, Edelleute meisterhaft mit Email verziert. Auf Kronen, Kelchen, Dosen, Ringen, Armbändem, Halsketten und Broschen war Email über Jahrhunderte ein beliebter Werkstoff. Neben ‘ Diamanten, Perlen, Smaragden oder Lapislazuli verzierte man so edelste Metalle wie Gold, Platin, Silber oder auch Kupfer — vollkommene Kunstwerke, die heute die Zierde berühmter Sammlung sind.

2. Massenproduktion

Während früher Email ausschließlich als Oberflächen-Verzierung und Veredelung genutzt wurde, war der Masseneinsatz erst nach Erfindung der Ziehpresse (1846) durch den Franzosen Japy möglich, obwohl bereits um 1765 im Hüttenwerk Königsbronn/Württemberg säurefeste, emaillierte Töpfe für chemische Zwecke hergestellt wurden. Handgeschlagene Geschirre wurden dann 1785 in dem Gräfiich Einsiedl’schen Hüttenwerk in Lauchhammer emailliert. Das Emaillierungsverfahren wurde mit einer Erfindung des Engländers Dr. Hickling 1799 verbessert. Die Idee, Email auf Gebrauchsgegenstände aufzubringen, stammt übrigens von dem Deutschen J. H. G. von Justi (schon 1761). 1861 entstanden im Saarland, 1863 in Westfalen, 1864 in Sachsen, 1867 in Hessen und Holstein und 1872 in der Oberpfalz Betriebe, die sich auf die Herstellung emaillierten Stahlgeschirrs spezialisierten. Email haftet nämlich nicht nur auf den metallenen Werkstoffen, sondern verschmilzt und verbindet sich mit diesem, so daß eine bei anderen Verbindungen gefürchtete Feuchtigkeitsunterwanderung ausgeschlossen ist. Der Leitsatz lautet also: »Emaillierung ist ein Oberflächenschutz-Verfahren für Metalle, bei denen eine Schutzschicht aus Spezialglas sich' Im Schmeizfluß bei 800° C mit der Metailoberfläche zu einem Verbundwerkstoff2zusammenfügt. » (Die Haftfestigkeit im Email-Metall beträgt bis zu 1000 kp/cm ). Diese Eigenschaft prädestiniert Email zur Verwendung bei Haushaltsgeräten. Auch ist der Werkstoff hart. Auf der Mohs’schen Skala, die beim Diamant mit 10 endet, hat Email die Härte 6 bis 7. Damit ist es härter als Marmor oder Eisen. Dies'er Werkstoff ist auch verschleiß-, abrieb-‚ korrisions— und witterungsfest, hitzebeständig, flammensicher, farbecht, chemisch widerstendsfähig, hygienisch und toxisch einwandfrei. Er zieht darüber hinaus keinen Staub an. Außerdem, heute ein wichtiges Argument, ist Email unempfindlich gegen gebräuchliche Spülmittel und verhindert wegen seiner glatten, glasartigen — damit porenfreien — Beschichtung die Ansiedlung von Bakterien, kurz: Es ist pflegeleicht.

3. Woraus entsteht Email?

Die Email-Masse wird heute von Email-Schmelzwerken produziert. Sie besteht aus Quarz‚ Feldspat‚ Borax, Kryolith, Fluß- und Kalkspat, Salpeter, Ton, Soda und Pottasche sowie Aluminiumoxyd, Haftoxyden, Zirkon oder Titandioxyd. Die Schmelzmenge wird meist in rotierenden Trommelöfen bei Temperaturen von etwa 1200°C zwei bis drei Stunden zusammengeschmolzen. Die Schmelzmasse wird durch Abschrecken mit Wasser zu graniertem Material. Dies läßt sich leicht zum sogenannten Auftragsschlicker vermahlen oder zum Email-Puder umwandeln.

4. Die Verbindung von Eisen und Email

Die zu emaillierenden hochwertigen Metalle werden einem gründlichen Reinigungsprozeß unterzogen, entfettet und gebeizt. Nach dieser Vorbehandlung erhalten sie einen nassen oder trockenen Email-Auftrag. Dies geschieht durch Eintauchen, Spritzen, Pudern, Pulvern, Angießen oder Fluten. Bei nassem Auftrag durchläuft das Teil einen Trockenofen. Der eigentliche Brennprozeß erfolgt bei Temperaturen zwischen 550° bis 900°C in wenigen Minuten in einem Kammer- oder Tunnelofen. Je nachdem, wofür das Teil verwendet wird, erfolgt Einschicht- oder Mehrschicht-Emaillierung, letzteres erfordert ein zweites oder wiedeholtes Durchlaufen des Brennofens. Während die verschiedenen Topfmotive früher von begabten Facharbeitern aufgemalt wurden, geben heute Abziehbilder dem Kochgeschirr ein modernes, jedem Geschmack entsprechendes »Styling«.

5. Ahlens Email- Vergangenheit

Den Grundstein für Ahlens Email-Industrie legte 1848 der aus Süddeutschland eingewanderte Klempnergeselle Wilhelm Brock, als er eine Blechschmiede eröffnete. Bei ihm lernte nämlich Johannes Kerkmann die Fertigung von Küchengeschirren. Nach seiner Lehre begann Kerkmann eine Wanderschaft durch andere Betriebe. Einige Jahre nach seiner Rückkehr eröffnete Johannes Kerkmann am 1. April 1863 mit seinem Bruder Heinrich, der eine kaufmännische Lehre durchlaufen hatte, eine Blechschmiede. Erst 1875 fertigten die Brüder in dem inzwischen gewachsenen Betrieb Email-Geschirre. Auch Brock stellte sich auf emaillierte Kochtöpfe ein. Sein Betrieb schloß jedoch Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Tore. In der Zwischenzeit eröffneten die Gebrüder Seiler ein Emaillierwerk. Es war das zweitgrößte hinter der Kerkmannschen Firma bis zum Ersten Weltkrieg. Heinrich Kerkmann trennte sich 1887 von seinem Bruder und eröffnete das Konkurrenzunternehmen Heinrich Kerkmann sen., das aber nach dem Tode des Gründers verschiedene Male den Besitzer wechselte. Das Gelände gehört heute der Firma-Kaldewei. Weitere Gründungen erfolgten. Die Firma J. u. H. Kerkmann wurde in die Westfälischen Stanz- und Emaillierwerke umgewandelt. Sie entwickelten die besonders hochwertige »Felsen-Emaille« und später die erste nahtlos gefertigte emaillierte Stahlbadewanne »Adler«. 1906 wurde von Kerkmann eine .Stahlbottich Gesellschaft m.b.H. ins Leben gerufen, die bis 1914 existierte. Die erste Ahlener Emaillierfirma, die so große Anstöße für Ahlen und seine Industrie gegeben hatte, ging 1932 in Konkurs.

Viele Mitarbeiter Kerkmanns nahmen den Erfolg dieses Unternehmens zum Anlaß, eigene Firmen zu gründen, sei es als Zulieferer oder auch als Emailwaren-Hersteller. Es wurde übrigens in der Email—Branche Ahlens 1881 schon ein reger Export mit der ganzen Welt betrieben, so mit Südamerika, Rußland, den Balkanländern, Frankreich, Belgien, England. Später, 1888, verblüffte die Firma Kerkmann die Stadt Ahlen mit der ersten elektrischen Beleuchtung. Zu diesem Zeitpunkt lieferte sie auch in die USA und Italien.

1891 gab es fünf Emaillierwerke mit 500 Arbeitern, 1894 bereits sieben Firmen mit über 700 Beschäftigten, 1903 acht Werke mit über 1000 Mitarbeitern, 1907 waren es elf Fabriken mit 1 100 Mann, 1908 bereits 13, 1918 waren 21 Stanz- und Emaillierwerke im Stadtgebiet tätig. Acht Jahre später produzierten wegen lnflation und Weltwirtschaftskrise nur noch vier Betriebe in dieser Branche; 1930 und 1931 waren die Jahre der einschneidenden Konkurse, so daß 1932 nur noch sieben blechverarbeitende Betriebe am Platz tätig waren. Sie hatten 800 Beschäftigte. 1937 hatte sich die Branche erholt, so daß schon wieder zwölf Unternehmen mit 1800 Leuten produzieren konnten. im Deutschen Reich bestanden übrigens 1939 360 Emaillierwerke.

1951, in diesem Jahr wurde die hier vewertete, bemerkenswerte Dissertation von Dr. H. Seifert fertiggestellt, waren in der Stadt noch neun Stanz— und Emaillierwerke in Betrieb sowie 15 reine Stanz- und Bohwarenfabriken. Leider hat Seifert in seiner Arbeit nur die Gründungsfirmen namentlich benannt.

6. ...und Gegenwart

Heute finden sich in Ahlen noch folgende Werke, in denen (Z.T. u.a.) Email verarbeitet wird (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Blomberg-Werke KG: Waschmaschinen, Wäschetrockner und Geschirrspülmaschinen, Warmwasser—Geräte und Wannwasserwärme-Pumpen, vormals Gebrüder Beumer KG, gegründet 1883
  • Franz Kaldewei GmbH & Co.: Bade- und Duschwannen, Badeöfen, gegründet 1917
  • Stephan Nahrath, Stanz— und Emaillierwerk: Kochgeschirre, gegründet 1907
  • Westfalia—Email Otterstedde GmbH & Co. KG (Vorhelm), Stanz— und Emaillierwerk: Kochgeschirre, gegründet 1913; Vorläufer: Firma Brock + Otterstedde, gegründet 1871
  • ST-AL, Gesellschaft zum Emaillieren von Stahl und Aluminium mbH: Emaillierung von Boilern, Aluminium und Gußeisen, gegründet 1974
  • Westhues und Gröne GmbH & Co. KG, Stanz- und Emaillierwerk: Kochgeschirre,gegründet 1922

Ein weiteres Stanz- und Emaillierwerk mit Topffabrikation befindet sich in Drensteinfurt. Darüber hinaus hat sich in Ahlen inzwischen der zuständige Email-Geschirrverband angesiedelt. Außerdem finden wir zwei bedeutende Großhandlungen, die Emaille-Geschirre vertreiben. >

7. Email-Produkte Die heutige Produkt-Palette, bei der Email verwandt wird, ist überaus breit; im Haushalt: Herde, Ofen, Durchlauferhitzer, Kochgeschirre, Küchenmöbel, Verkleidungen, Wasch- und Geschirrmaschinen; im Sanitär-Bereich: Bade- und Brausewannen, Waschbecken; in der Architektur: Fassaden und andere Bekleidungen, Auskleidungen, Schilder, Plakate; in der Industrie: Büromöbel, Zapfsäulen, Lagertanks, Behälter; im Verkehr: Verkehrszeichen, Abgasschalldämpfer; in der Kunst: sakrale Gegenstände, Wandbilder, Schmuck- und Hobby-Emaillierungen.

Quellen: Dissertation, Dr. H. Seifert: Die wirtschaftliche Entwicklung und Struktur der Stadt Ahlen in Westfalen unter besonderer Berücksichtigung der Stanz- und Emaille—Industrie, Köln; 30. Juli 1951; Dr. H. Neth: Stahl- und Form »Deutsche Emaille-Zentrum e.V. Hagen«; Echtes Email: Herausgeber Deutsche Emailzentraile, Hagen; L. Vielhaber: Emailliertechmk, VDI Verlag, Düsseldorf 1958; Franz Kaldewei GmbH & Co., Ahlen: Email. geschmolzene Edelsteine (1977); eigene Kenntnisse/ mündliche Befragungen des Verfassers