So wars

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„So war’s“ Zurückgeblättert: Ahlen vor 40 Jahren[1]

Kinder, wie die Zeit vergeht. - Es gibt wohl kaum jemanden, dem dieser Spruch nicht schon einmal über die Lippen kam - ganz erstaunt darüber, wie schnell Tage, Wochen, Monate und gar Jahre in der Sanduhr menschlicher Endlichkeit verrinnen. Jahrzehnte zurückliegende Ereignisse geraten oft ebenso schnell in Vergessenheit wie sie uns überrollt haben. Sie werden häufig erst wieder in Gesprächen, beim Betrachten von alten Fotos oder beim Lesen aufbewahrter Zeitungsausschnitte zu gedanklichem Leben erweckt. So mancher wird erstaunt sein, wie sich der Blickwinkel zu damaligen Geschehnissen und sogar deren Bewertung aus heutiger Perspektive verändert hat - oder auch nicht. Die AZ will mit ihrer neuen Rubrik Erinnerungen in einem überschaubaren Zeitrahmen von vor 40 Jahren in dieser Stadt, aber auch darüber hinaus in der Welt, in Deutschland und in unserer näheren Umgebung wecken. So manches von damals wird heute wahrscheinlich belächelt, anderes wiederum weckt möglicherweise den Gedanken, das etliches gar nicht so schlecht war - je nachdem, in welchem Maße jeder Einzelne davon betroffen oder berührt war. Ähnlichkeiten wären übrigens rein zufällig."So war`s" kann nur einen kleinen Ausschnitt aus dem großen Kaleidoskop dessen widerspiegeln, was in jenen Tagen und Wochen vor 40 Jahren um uns herum geschah und vielleicht sogar das Leben des einen oder anderen veränderte. Die AZ-Redaktion wünscht beim Lesen viel Spaß und sicher auch eine Menge wieder auflebenden Gesprächsstoff.


1969

Januar bis März

„Alles schon mal dagewesen“ lautet die Bildbotschaft auf einer „AV“-Sonderseite vor 40 Jahren. Oft wiederholt sich eben die Geschichte – das zeigt auch die Serie „So war’s“.

Mit unveränderter Schärfe gehen der arabisch-israelische Guerilla-Krieg und die Auseinandersetzungen in Vietnam auch zur Jahreswende 1968/69 weiter, während in Deutschland ein „Rekord-Neujahrsknall“ für 60 Millionen Mark gemeldet wird. Hierzulande hat schon vor den Feuerwerken der Winter mit reichlichem Schneefall und strengem Frost erneut Einzug gehalten. Dem Schnee folgen am Neujahrstag allerdings schon im Laufe des Vormittags in Nord- und Westdeutschland Schneeregen und Regen als Vorboten des einsetzenden Tauwetters. Den Kölnern hingegen kann dieses Wetter den offenbar angeborenen Frohsinn nicht vermiesen. Unter allgemeinem Jubel wird dort Anfang des Jahres 1969 das neue „närrische Dreigestirn“ des Kölner Karnevals der Öffentlichkeit bekanntgegeben.

Stadtprinz Dieter I.

Ahlen erlebt eine ruhige Silvesternacht. Trotz verstärkter Polizeikontrollen gibt es nur zwei Blutproben zu verzeichnen. Die Feuerwehr rückt am Neujahrsmorgen zu einem Brand an der Husemannstraße aus, wo in einem Keller ein Waschautomat Feuer gefangen hat.

Noch ahnt niemand in der mit frischen, hoffnungsvollen Erwartungen gestarteten Anfangsphase, dass es dieses mit unfreundlichem Wetter gestartete Jahr vor allem politisch in sich haben sollte. Allerdings zeichnet sich schon bald ab, dass die von den ivalisierenden Parteipolitikern angelegten Bandagen im Kommunalwahlkampf von außergewöhnlicher Härte sein würden. Am Ende steht vor dem Hintergrund einer einschneidenden politischen Wende die Ablösung der SPD, die 20 Jahre lang mit Mehrheit die Geschicke der Stadt Ahlen gelenkt hatte. Die CDU siegt im Herbst mit ihrem Spitzenkandidaten Herbert Faust haushoch über die SPD mit ihrem Bürgermeister Heinrich Linnemann, wovon sich die bis dahin in Ahlen dominierenden Sozialdemokraten erst 15 Jahre später erholen sollten. Doch zunächst lassen es die Ahlener Bürger im neuen Jahr erst einmal ruhig angehen. Die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) ermuntert ihre Mitglieder zur Fahrt nach Dortmund, wo in der Westfalenhalle das 80-jährige Bestehen dieser Einzelgewerkschaft gefeiert wird. Supermärkte und Einzelhandelsgeschäfte in Ahlen überbieten sich in Zeitungsannoncen mit Sonderangeboten. So gibt es im „Hill“-Supermarkt gleich Anfang Januar passend zum Wetter 500 Gramm „frisches Eisbein“ (dick und fleischig) für 1,48 Mark, und dazu den 500-Gramm-Beutel mit „Wein-Sauerkraut“ zum Preis von 49 Pfennig. Ja, das waren noch Zeiten. Schon längst stehen hinter solchen Zahlen von einst die Euro-Zeichen von heute.

Annoncen in der „Ahlener Volkszeitung“ erinnern außerdem daran: Ein „einmaliges Sonderangebot“ von Jersey- Kleidern hält das Modegeschäft Jürs an der Oststraße (heute Dieler) für seine Kundinnen – je nach Farbe, Formen und Größen – zu Preisen von 69, 59, und 49 Mark bereit. An der Parkstraße 10 eröffnet in jenen Tagen der Masseur und Bademeister Heinrich Hinkämper seine Massageund Chiro-Gymnastikräumlichkeien mit Sauna.

Mit ihrem Fußball-Verbandsligisten TuS Ahlen als einem ihrer sportlichen Aushängeschilder bereitet sich der sportlich interessierte Teil der Stadt auf den Beginn der zweiten Serie vor. Es steht das wichtige Spiel gegen den Tabellen- Fünften BV Selm auf heimischem Terrain in der „Glückauf-Kampfbahn“ an. Die Begegnung endet 1:1.

Was waren das noch Zeiten: Benzin für 56,7 Pfennig je Liter – an einer Ahlener Tankstelle im Frühjahr 1969 zu haben.

Wie sich sogar nach 40 Jahren zeitlichem Zwischenraum immer wieder Bilder und Begebenheiten im Vergleich ähnlich sein können: Bundespräsident Heinrich Lübke ermahnt 1969 aus gleichem Anlass wie im Jahr 2009 die deutschen Parteien zur Mäßigung im Wahlkampf. Sie sollen über die Auseinandersetzungen nicht die allgemeinen Interessen vergessen, appelliert er eindringlich. Ähnlichkeiten mit der heutigen Zeit sind auch beim preislichen Auf und Ab an den Kraftstoffzapfsäulen festzustellen. In Ahlen gipfelt alles darin, dass Anfang 1969 Markenbenzinfirmen zum Angriff auf freie Tankstellen ansetzen: Es kann zum „Kampfpreis“ von 56,7 Pfennigen je Liter bei „Esso“ zum Zapfhahn gegriffen werden. „Keine Steuererhöhungen vorgesehen“, so lautet das politische Versprechen des damaligen Bundesfinanzministers Franz-Josef Strauß im Wahljahr. Und allgemeine Lohnerhöhungen von bis zu sieben Prozent werden von der politischen Bühne ebenfalls in Aussicht gestellt. Die allgemeine Stimmung wird durch rosa-rote Aussichten verklärt – das kennt man ja.

Auf extrem niedrigem Stand von gerade mal einem Prozent ist zu jener Zeit im alten Arbeitsamtsbezirk Ahlen die Arbeitslosenzahl. Verstärktes Interesse an Arbeitskräften wird von den in Ahlen und im näheren Umfeld ansässigen Bergbaubetrieben verkündet, die ihre Kohlenhalden als „zum größten Teil wieder geräumt“ melden.

23 000 Mark an Einsparungen verspricht sich die Stadt von der Umstellung vom Kassenhäuschen auf Automaten am Hallenbad im „Berliner Park“, und zeitgleich am Jahresbeginn wird als neuer „Narrenfürst“ Seine Tollität Prinz Dieter I. „Der B(l)ombige“ (Dieter Karsch) vorgestellt. Der damals noch übliche Beiname leitete sich bei diesem Prinzen aus seiner Tätigkeit bei der Firma Blomberg ab.

Während die politischen Diskussionen über den Neubau eines Rathauses und einer Mehrzweckhalle (spätere Stadthalle) unter anderem mit einem Ideenwettbewerb allmählich Fahrt aufnehmen, geht den Ahlenern der eigene Platz für Müllablagerungen aus. Die benachbarte Deponie in Beckum soll den Müll künftig aufnehmen, und es ist daran gedacht, einer Privatfirma die Entsorgung zu übertragen. Nach zweijähriger Bauzeit wird Anfang April das TuSClubheim an der August-Kirchner-Straße fertiggestellt.

Flachbildschirme, LCD und andere Techniken dominieren heutzutage die Fernsehlandschaft. Eine technische Neuerung jagt in atemraubendem Tempo die andere. Wie soll man da finanziell noch mithalten können, um stets auf neuestem technischen Stand zu sein, fragen sich immer mehr Menschen.

Welche TV-Welt war das hingegen noch im Februar 1969! „Einladung zur Farb- Fernseh-Werbevorführung“ heißt es da in einer Annonce der „Ahlener Volkszeitung“. Eine Beckumer Firma wirbt mit folgendem Text um der Käufer Gunst und Neugier auch in Ahlen: „Die Farbenpracht der Sendungen ist einmalig und begeisternd anzusehen. Überzeugen Sie sich, Fachleute geben Rat und Auskunft. Kommen Sie unverbindlich zum Informieren, Studieren, Probieren – Unverbindliche Probeaufstellung in Ihrer Wohnung.“ Und auch der Ahlener Fachhandel „Radio Dr. Franz“ macht Reklame für die anbrechende bunte Color- Zeit in der Flimmerkiste mit „. . . strahlt jeden Abend Farbe in Ihr Heim“. Ach ja, auch das noch aus Ahlen: Einen Waschautomaten (Markenfabrikat) gibt es 1969 bei der Firma Bernhard Pohlkötter schon für 398 Mark.

Und die drei Ahlener Filmtheater bieten der neuen farbigen TV-Konkurrenz zu jenem Zeitpunkt mit folgenden Filmen Paroli: „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“ mit Harald Leipnitz („Thalia-Theater“), „Sieben Jungfrauen für den Teufel“ („Rex-Kino“) und „Der goldene Schlüssel“ sowie „Zorro gegen Maciste“ (Stadttheater).

April bis Mai

Quellen

<references>

  1. Ahlener Zeitung 13.06.2009 Autor: Rolf Kersting